Das Schma Israel – Das jüdische Glaubensbekenntnis


5. Mose 6,4

Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR ist einer


Das „Schma Israel“ oder auch „Schema Jisrael“ (kurz „Schma“ oder „Schema“) bedeutet übersetzt „Höre, Israel!“ und ist das jüdische Glaubensbekenntnis sowie eines der wichtigsten Gebete im Judentum. Es ist benannt nach den Anfangsworten eines Abschnitts aus der Tora in 5. Mose 6,4-9:

 

4 Höre Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein! 5 Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. 6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du auf dem Herzen tragen, 7 und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt oder auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst; 8 und du sollst sie zum Zeichen auf deine Hand binden, und sie sollen dir zum Erinnerungszeichen über den Augen sein; 9 und du sollst sie auf die Pfosten deines Hauses und an deine Tore schreiben.

 

Dieses Bekenntnis hat seit jeher eine zentrale Bedeutung für Israel, sowohl im antiken Judentum als auch heute. Seit Tausenden von Jahren sprechen Juden jeden Morgen und Abend dieses bekannte Gebet, um ihre Hingabe an Gott auszudrücken.

 

Was ist die tiefe geistliche Bedeutung des Schma Israels?

 

Das Schma Israel und seine Worte

Die ersten Worte des Schma Israels lauten:

 

שמע ישראל יהוה אלהינו יהוה אחד

 

„Schema Jisrael Jahwe eloheinu Jahwe ehad“

 

„Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR ist einer“

 

Aufgrund der Mehrdeutigkeit der Übersetzungsmöglichkeiten dieser hebräischen Passage gibt es auch folgende Wiedergabe:

 

„Höre Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein!“

 

Im rabbinischen Judentum wird gelehrt, dass das Tetragramm (יהוה), JHWH, der unaussprechliche Eigenname Gottes ist und deshalb nicht laut ausgesprochen werden darf. Stattdessen wird bei der Rezitation traditionell der Name „Adonai“ (HERR) oder auch „ha-Schem“ (der Name) verwendet. Daher wird das Schma Israel laut als „Schema Jisrael Adonai eloheinu Adonai ehad“ oder „Schema Jisrael ha-Schem eloheinu ha-Schem ehad“ rezitiert.

 

Juden verwenden den Ausdruck „ha-Schem“ anstelle von „Adonai“, um Gottes Namen im alltäglichen Sprachgebrauch zu ersetzen. „Adonai“ wird traditionell nur im Gebet oder Studium ausgesprochen, da der Name als zu heilig gilt. „Ha-Schem“ dient so als respektvoller Ersatz, um die Heiligkeit des göttlichen Namens zu schützen. Diese Praxis basiert auf 2. Mose 20,7, wo es heißt, dass der Name Gottes nicht missbraucht werden soll. So wird die Ehrfurcht im täglichen Leben gewahrt.

 

Die Bedeutungen der Wörter des Schma Israel

Jedes Wort des Schma Israel hat eine tiefgehende Bedeutung und betonen die enge Beziehung zwischen dem Volk Israel und Gott.

 

• „Schma“ bedeutet wörtlich „hören“, „beachten“ oder „vernehmen und handeln“ und laut dem Targum auch „annehmen“ oder „akzeptieren“.

 

• „Israel“ bezieht sich auf das Volk oder die Gemeinde Israels.

 

• „Adonai“ wird oft als „HERR“ übersetzt und anstelle von JHWH im hebräischen Text gelesen; die Samaritaner sagen „Schema“, was Aramäisch für „der [göttliche] Name“ ist, und entspricht dem hebräischen „ha-Schem“, das rabbinische Juden in alltäglicher Rede als Ersatz für Adonai verwenden.

 

• „Eloheinu“ ist die 1. Person Plural von‎ Elohim und bedeutet „unser Gott“.

 

• „Echad“ bezieht sich auf die Einheit und die Zahl Eins.

 

Während der Rezitation in der Synagoge sprechen orthodoxe Juden jedes Wort sehr sorgfältig aus und bedecken ihre Augen mit der rechten Hand. Die genaue Rezitation des Schma Israel ist im Judentum von großer Bedeutung. Schon die kleinste Veränderung oder ein Fehler im Text kann als problematisch angesehen werden. Jeder Buchstabe und jedes Zeichen der Tora muss korrekt beachtet werden, wie Jesus der Messias (Jeschua ha-Maschiach) in Matthäus 5 bestätigte:

 

Matthäus 5,18

Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergangen sind, wird nicht ein Buchstabe noch ein einziges Strichlein vom Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist

 

Der Begriff „echad“ – Einheit und Pluralität

Ein wichtiges Konzept im Schma Israel ist die Einheit Gottes, die im hebräischen Begriff „echad“ zum Ausdruck kommt, was „eins“ bedeutet.

 

Interessanterweise braucht das Hebräische nur vier Wörter, um „der HERR ist unser Gott, der HERR ist einer“ zu sagen. Noch interessanter ist jedoch, dass drei dieser vier Wörter in der Mehrzahl stehen. Das einzige Wort, das in der Einzahl steht, ist das Wort für „einer“. Hierbei stoßen wir auf das Paradoxon, dass in der Offenbarung Gottes Einheit und Pluralität miteinander kombiniert sind.

 

Um das Konzept von Einheit und Pluralität besser verstehen zu können, muss man sich vergegenwärtigen, dass das Hebräische zwei verschiedene Begriffe für „eins“ kennt, nämlich „jachid“ und „echad“.

 

Der Begriff „jachid“ bedeutet „das, was absolut einzig“ ist. So sagt beispielsweise der HERR in 1. Mose 22 zu Abraham: 

 

1. Mose 22,2

Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast…

 

In diesem Vers wird der Begriff „jachid“ (einzig) verwendet, weil Abraham und Sara nur einen einzigen Sohn hatten, der aus ihrem Fleisch herausgeboren worden war.

 

Der Begriff „echad“ bezeichnet hingegen eine Einheit aus mehreren Elementen. Diese Bedeutung ist verschiedenen Passagen des Alten Testaments zweifelsfrei zu entnehmen. So wird beispielsweise in 1. Mose 2 das Wesen der Ehe und der Vereinigung von Adam und Eva mit folgenden Worten beschrieben:

 

1. Mose 2,24

Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und sie werden ein [echad] Fleisch sein

 

Das Wort „ein“ (echad) drückt aus, dass die beiden vereint werden, um eins zu werden. Somit beschreibt „echad“ die Vereinigung von mehr als einem zur Bildung einer Einheit.

 

Überall in der Heiligen Schrift begegnen wir diesem faszinierenden Paradoxon: Gott ist einer, doch innerhalb des Eins-Seins Gottes gibt es mehr als Einen. Die Fülle der Gottheit, welche die Heilige Schrift offenbart, besteht aus dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Gott ist von seinem Wesen her Einer, aber er ist von seinem Wesen her auch mehr als Einer. Das ist das Geheimnis der Natur Gottes, eine einzigartige Verschmelzung von Einheit und Pluralität.

 

Die Bedeutung des Schma Israels

Das erste Wort im „Schma Israel“ lautet „hören“ oder „zuhören“, auf Hebräisch „Schma“, und daher stammt auch der Name des Gebets. „Schma“ ist ein häufig verwendeter Begriff in der Heiligen Schrift, und das aus gutem Grund: Hören ist eine grundlegende Funktion, die eng mit dem Ohr verbunden ist. In Sprüche 20 heißt es:

 

Sprüche 20,12

Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge – beide hat der HERR gemacht.

 

Diese scheinbar einfache Tätigkeit des Hörens geht jedoch in der Heiligen Schrift weit über das bloße Wahrnehmen von Geräuschen hinaus.

 

Im Hebräischen bedeutet „Schma“ auch „aufmerksam sein“ oder „sich fokussieren“. Zum Beispiel nannte Lea, die von ihrem Mann Jakob verschmäht wurde, ihren Sohn Simeon – auf Hebräisch „Schimon“ – was in diesem Zusammenhang so viel wie „Der HERR hat gehört, dass ich verschmäht bin“ bedeutet.

 

1. Mose 29,33

Und sie [Lea] wurde wieder schwanger und gebar einen Sohn und sprach: ‚Der HERR hat gehört, dass ich verschmäht bin, und hat mir auch diesen gegeben.‘ Und sie nannte ihn Simeon.

 

„Schma“ heißt also nicht nur „hören“, sondern auch „aufmerksam reagieren“. Deshalb beginnen viele Hilferufe in den Psalmen mit der Bitte, dass Gott zuhören und handeln möge: „Schma meine Bitten, HERR. Sei barmherzig und erhöre mich!“ Wenn man Gott bittet zu „Schman“, erwartet man nicht nur, dass er hört, sondern auch handelt. Ebenso fordert Gott die Menschen auf, zuzuhören, wie bei der Übergabe des Bundes am Berg Sinai:

 

2. Mose 19,5

Wenn ihr nun sorgfältig auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, so sollt ihr mein besonderes Eigentum sein vor allen Völkern; denn die ganze Erde gehört mir.

 

Im Hebräischen wird das Wort „Schma“ manchmal zur Betonung verdoppelt, wie „Schma-Schma“, was aufmerksames und genaues Hören bedeutet. Für Gott ist Hören im Wesentlichen gleichbedeutend mit Gehorsam. Wenn er sein Volk auffordert zu „Schman“, meint er damit, dass sie nicht nur zuhören, sondern auch handeln sollen.

 

Im biblischen Hebräisch gibt es kein separates Wort für „gehorchen“, sodass das Hören und das Handeln untrennbar miteinander verbunden sind. Deshalb sagt die Bibel auch: „Sie haben Ohren, aber hören nicht“, um zu verdeutlichen, dass physisches Hören allein nicht ausreicht, wenn man das Gehörte nicht umsetzt. Somit ist das „Schma Israel“ eine Verbindung aus Glaubensbekenntnis und Handlungsaufforderung.

 

„Schma“, das „Hören“, bedeutet in der Heiligen Schrift, demjenigen Respekt zu zollen, der spricht, und das Gehörte in die Tat umzusetzen. Echtes Hören erfordert immer eine Reaktion und Handlung – das ist die tiefere Bedeutung von „Schma“.

 

Im Gegensatz zu christlichen Glaubensbekenntnissen, die oft als „Wir glauben“-Aussagen formuliert sind, ist das jüdische Glaubensbekenntnis eine göttliche Aufforderung, auf Gottes Stimme zu hören und seine Einzigartigkeit zu erkennen. Der Ausdruck „Schma Israel“ hat eine so heilige Bedeutung im Judentum, dass er dem Namen Gottes gleichkommt und oft durch den Buchstaben Schin (ש) symbolisiert wird, der eine tiefe symbolische Bedeutung hat. Er ist nicht nur der Anfangsbuchstabe des Wortes „Schma“, sondern Schin steht in der jüdischen Tradition auch für den Namen und Titel Gottes „Schaddai“ (שדי), was „der Allmächtige“ bedeutet. In diesem Zusammenhang erinnert der Buchstabe an Gottes Gegenwart und die zentrale Botschaft des Gebets, Gott als den Einen und Einzigen anzuerkennen.

 

Das Hören schließt jedoch auch ein Sehen mit ein, wie es Mose den Israeliten in Erinnerung ruft: „Dir ist es gezeigt worden, damit du erkennst, dass der HERR Gott ist, und keiner sonst als er allein“ – 5. Mose 4,35).

 

Das tägliche Schma-Gebet

Der Begriff „Schma“ wird auch im erweiterten Sinne verwendet, um den gesamten Teil der täglichen Gebete im Judentum zu bezeichnen. Der jüdische Gelehrte Schammai, der etwa zur Zeit Jesu lebte, lehrte, dass jeder Jude das Schma mindestens zweimal täglich beten sollte, entsprechend der Anweisung in 5. Mose 6,4-9. Es soll gebetet werden, „wenn du dich niederlegst“ (abends; Ma'ariv) und „wenn du aufstehst“ (morgens; Schacharit).

 

In einer „Sefer Tora“, einer handgeschriebenen Torarolle, sind die beiden Buchstaben Ajin (ע) und Dalet (ד) im ersten Satz des Schma vergrößert. Zusammen bilden diese Buchstaben das Wort „ed“ (עד), das „Zeuge“ bedeutet und darauf hindeutet, dass Schma ein Zeugnis der Souveränität Gottes und unserer vorrangigen Pflicht ist, ihn mit unserem ganzen Wesen zu lieben. Wenn Juden das Schma sprechen, bezeugen sie die Einheit Gottes.

 

Das tägliche Schma-Gebet besteht eigentlich aus mehr als den berühmten sechs Worten „Schma Jisrael, Adonai eloheinu Adonai echad“, sondern es besteht aus drei Teilen, die zu einer Einheit verbunden sind:

 

1) 5. Mose 6,4-5: Beginnend mit dem Wort „Ve'ahavta“ („und du sollst lieben“)

Dieser Abschnitt betont die Liebe zu Gott und die Annahme seiner Herrschaft; Gott „von ganzem Herzen, ganzer Seele und mit aller Kraft“ zu lieben. Er enthält auch die Gebote, die Tora zu lehren, Tefillin (Gebetsriemen) zu tragen und eine Mesusa am Türpfosten anzubringen. Zwar beginnt 5. Mose 6,4 mit „Schema Jisrael“ aber der folgende Abschnitt, der als Teil des Schma-Gebets oft speziell betont wird, beginnt mit dem Wort „v'ahavta“.

 

2) 5. Mose 11,13-21: Beginnend mit dem Wort „Vehajah“ („es wird geschehen“)

In diesem Abschnitt wird die Verpflichtung zur Erfüllung der Gebote hervorgehoben, sowie das Prinzip von Belohnung und Strafe in Abhängigkeit von der Treue zu Gottes Geboten. Es betont die geistliche Bedeutung von Gehorsam: Segen folgt auf Gehorsam, während Abkehr von Gott Strafe und Vertreibung aus dem Land nach sich zieht;

 

3) 4. Mose 15,37-41: Beginnend mit dem Wort „Vajomer“ („und er sprach“)

Dieser Abschnitt handelt vom Gebot, Zizit (Schaufäden) zu tragen, um sich an Gottes Gebote zu erinnern, und verweist auf die tägliche Verpflichtung, sich an den Auszug aus Ägypten zu erinnern.

 

Diese drei Abschnitte der Tora werden in den wöchentlichen Toralesungen „Waetchanan“, „Ekew“ und „Schelach Lecha“ gelesen.

 

Das Schma-Gebet im Wortlaut

Basierend auf den drei Abschnitten der Tora, lautet das Schma-Gebet im Wortlaut in der Transliteration folgendermaßen:

 

1) Schema Jisrael, adonai eloheinu, adonai echad.

 

Der folgende Satz wird leise gesagt:

Baruch schem kewod malchuto le-olam wa-ed.

 

Ve'ahavta et Adonai Elohecha bechol-levavcha uvechol-nafschecha uvechol-me'odecha. Ve'hayu had'varim ha'eleh asher anochi metzavecha hayom al-levavecha.

Veshinantam levaneycha vedibarta bam beshivtecha beveitecha uvelechtecha vaderech uv'shochbecha uv'kumecha.

U'kshartam le'ot al-yadecha vehayu letotafot bein einecha. Uchtavtam al-mezuzot beitecha uvi-sch'arecha.

 

2) Vehajah im-shamo'a tishme'u el-mitzvotai asher anochi metzaveh etchem hayom le'ahavah et Adonai Eloheichem u'le'avdo bechol-levavchem u'vechol-nafshechem. Venatati metar artzechem be'ito, yoreh u'malkosh, ve'asafta deganecha, ve'tiroshcha, ve'yitzharecha. Venatati eisev be-sadecha li-vhemtecha ve-achalta vesava'ta. Hishameru lachem pen yifte levavchem vesartem va'avadtem elohim acherim vehishtachavitem lahem. Vecharah af Adonai bachem ve'atzar et hashamayim velo yihyeh matar, veha'adamah lo titen et yevulah va'avadtem meherah mei'al ha'aretz hatovah asher Adonai notein lachem. Vesamtem et devarai eileh al levavchem ve'al nafshechem, ukshartem otam le'ot al yedchem vehayu letotafot bein einechem. Velimadetem otam et beneichem ledaber bam beshivtecha beveitecha u'velechtecha vaderech, uv'shochbecha uv'kumecha. Uchtavtam al mezuzot beitecha uvi-sch'arecha. Lema'an yirbu yemeichem v'yemei beneichem al ha'adamah asher nishba Adonai la'avoteichem lateit lahem kimei hashamayim al ha'aretz.

 

3) Vajomer Adonai el-Moshe leimor. Daber el benei Yisrael ve'amarta aleihem ve'asu lahem tzitzit al kanfei vigdeihem le'dorotam, ve'natnu al tzitzit hakanaf petil techelet. Vehayah lachem letzitzit, ur'item oto, uzchartem et kol mitzvot Adonai va'asitem otam, velo taturu acharei levavchem ve'acharei eineichem asher atem zonim achareihem. Lema'an tizkeru va'asitem et kol mitzvotai viheyitem kedoshim leiloheichem. Ani Adonai Eloheichem asher hotzeiti etchem me'eretz Mitzrayim, lihyot lachem leilohim. Ani Adonai Eloheichem.

 

Übersetzung:

1) 5. Mose 6,4-9 (Schma Israel)

Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein!

 

[Zusätzlich wird nach dem ersten Vers des Schma traditionell leise der Satz gesprochen:

„Baruch schem kewod malchuto le-olam wa-ed.“ (Gesegnet sei der Name seiner glorreichen Majestät für immer und ewig).]

 

Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du auf dem Herzen tragen. Und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und von ihnen reden, wenn du in deinem Haus sitzt und wenn du auf dem Weg gehst, wenn du dich hinlegst und wenn du aufstehst. Und du sollst sie als Zeichen auf deine Hand binden, und sie sollen zum Merkzeichen zwischen deinen Augen sein.

Und du sollst sie auf die Türpfosten deines Hauses und an deine Tore schreiben.

 

2) 5. Mose 11,13-21 (V'haja)

Und es wird geschehen, wenn ihr meinen Geboten gehorcht, die ich euch heute gebiete, den HERRN, euren Gott, zu lieben und ihm mit ganzem Herzen und ganzer Seele zu dienen, so werde ich den Regen für euer Land zur rechten Zeit geben, Frühregen und Spätregen, und du wirst dein Getreide, deinen Wein und dein Öl einsammeln. Und ich werde Gras auf deinem Feld geben für dein Vieh, und du wirst essen und satt werden. Hütet euch, dass euer Herz nicht verführt wird und ihr abweicht und anderen Göttern dient und sie anbetet. Dann wird der Zorn des HERRN gegen euch entbrennen, und er wird den Himmel verschließen, sodass kein Regen fällt und der Erdboden seinen Ertrag nicht gibt, und ihr werdet bald aus dem guten Land verschwinden, das der HERR euch gibt. So sollt ihr meine Worte auf euer Herz und auf eure Seele legen und sie als Zeichen auf eure Hand binden, und sie sollen zum Merkzeichen zwischen euren Augen sein.

Und ihr sollt sie eurem Nachwuchs lehren, davon zu reden, wenn du in deinem Haus sitzt, wenn du auf dem Weg gehst, wenn du dich hinlegst und wenn du aufstehst. Und du sollst sie auf die Türpfosten deines Hauses und an deine Tore schreiben, damit eure Tage und die Tage eurer Kinder in dem Land, das der HERR euren Vätern geschworen hat, ihnen zu geben, so zahlreich werden wie die Tage des Himmels über der Erde.

 

3) 4. Mose 15,37-41 (Vajomer)

Und der HERR sprach zu Mose: Rede zu den Israeliten und sprich zu ihnen, dass sie sich Quasten an die Ecken ihrer Kleider machen, für alle ihre künftigen Generationen, und sie sollen an die Quasten an den Ecken eine Schnur aus blauem Purpur setzen. Und sie sollen euch zur Quaste sein, damit ihr sie seht und euch an alle Gebote des HERRN erinnert und sie tut und nicht eurem Herzen und euren Augen nachgeht, denen ihr nachhurt. Damit ihr an alle meine Gebote denkt und sie tut und heilig seid eurem Gott.

Ich bin der HERR, euer Gott, der euch aus dem Land Ägypten herausgeführt hat, um euer Gott zu sein. Ich bin der HERR, euer Gott.

 

Das Schma – Ein Gebet für das Leben und den Tod

Rabbiner lehren, dass jedes Mal, wenn ein Jude das Schma-Gebet rezitiert, er das Joch des Reiches Gottes auf sich nimmt. Es ist das erste Gebet, das jüdische Kinder lernen, sobald sie sprechen können, und das letzte, das ein Jude auf seinem Sterbebett spricht.

 

Das Schma während des Holocaust

Während des Holocaust spielte das Schma eine besonders bedeutende Rolle. Der frühere israelische Oberrabbiner Israel Meir Lau berichtete oft, dass jüdische Kinder, die in christlichen Waisenhäusern versteckt wurden, nach dem Krieg oft durch das Anstimmen des Schma identifiziert werden konnten – sie antworteten instinktiv mit „Adonai Eloheinu, Adonai Echad“. Viele dieser Kinder leben heute noch als Holocaust-Überlebende in Israel.

 

Mehr als eine Million Juden sprachen das Schma-Gebet, als sie in den Gaskammern von Auschwitz und anderswo ermordet wurden. Die meisten Juden starben damit auf den Lippen, als sie grausam ermordet wurden.

 

Die Herausforderung des Hörens

Wie wir bereits erfahren haben, geht der Begriff „Schma“ im Hebräischen weit über das Hören hinaus und beinhaltet auch Gehorsam und das Umsetzen des Gehörten.

 

Interessanterweise war das „Hören“ eine Schwäche Israels, wie der Prophet Jeremia mehrfach anprangerte. Er wies darauf hin, dass das Volk nicht auf Gottes Worte achtete: „Hört doch, ihr törichten Leute ... die Ohren haben und nicht hören!“ (Jer 5,21); „Ihr Ohr ist unbeschnitten, und sie können nicht hören“ (Jer 6,10); „Ich habe zu euch geredet ... und ihr habt nicht gehört“ (Jer 7,13). Diese Taubheit gegenüber Gottes Botschaft führte letztlich dazu, dass Israel ins Exil nach Babylon verbannt wurde.

 

Doch dieses Problem betrifft nicht nur Israel – auch wir Christen kämpfen damit, wirklich zuzuhören. Selbst die Jünger Jesu hatten Schwierigkeiten, seine Botschaft zu verstehen (vgl. Mk 8,17ff; 16,14). Deshalb ermahnt Jesus uns: „Seht zu, wie ihr hört!“ (vgl. Lk 8,18). Es gibt einen Unterschied zwischen einfachem Hören und „wahrem Hören“. Man kann etwas hören, ohne wirklich darauf zu achten, was Gott sagen will. Diese Herausforderung begleitet uns als Gläubige fortwährend.

 

Wie oft haben wir Predigten gehört oder die Bibel gelesen, und doch hat sich wenig in unserem Leben verändert? Zu oft wählen wir aus, was wir hören wollen, und ignorieren das, was wir als irrelevant betrachten. Bereits zur Zeit des Paulus suchten Menschen Lehrer, die sagten, was ihnen „in den Ohren kitzelte“ (vgl. 2Tim 4,3), statt das zu lehren, was sie wirklich brauchten. Oft werden wir durch eine Predigt oder das Bibellesen im Herzen berührt, doch unser hektischer Lebensstil lenkt uns schnell wieder ab, und wir werden zu „vergesslichen Hörern“ (vgl. Jak 1,23ff).

 

Gott spricht auf vielfältige Weise, vor allem durch sein Wort und Predigten, aber auch durch alltägliche Umstände. Die Frage bleibt: Hören wir wirklich zu?

 

Das größte Gebot

Auch für Christen spielt das Schma eine wichtige Rolle. Viele der größten Rabbiner erwähnten und zitierten das Schma Israel immer wieder. 

 

Als Antwort auf die Frage eines jüdischen Schriftgelehrten bezüglich des Gesetzes antwortete Jesus Christus (Jeschua ha-Maschiach):

 

Matthäus 22,35-40

Und einer von ihnen, ein Gesetzesgelehrter, stellte ihm eine Frage, um ihn zu versuchen, und sprach: Meister, welches ist das größte Gebot im Gesetz? Und Jesus sprach zu ihm: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Denken«. Das ist das erste und größte Gebot. Und das zweite ist ihm vergleichbar: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. An diesen zwei Geboten hängen das ganze Gesetz und die Propheten.

 

Mit diesen Worten definiert Jesus die gerechte Forderung des Gesetzes, der Tora. Hinter diesem kompletten Gesetzessystem stehen die beiden großen, ewigen, unveränderlichen Gesetze Gottes für die ganze Menschheit:

 

1. „Du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben“ und

2. „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“.

 

Hat das Schma also eine Bedeutung für Christen und die Gemeinde? Laut Jesus selbst ist die Antwort eindeutig. Auf die Frage nach dem wichtigsten Gebot der Bibel antwortete er: „Höre, Israel, der HERR, unser Gott, ist der HERR allein, und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft“. Für Jesus ist dies das höchste Gebot, und es fordert seine Jünger auf, vor allem eines zu tun: zu hören.

 

Gott hätte auch andere Sinne wählen können, um die Beziehung zu seinem Volk zu verdeutlichen, etwa das Schmecken oder Sehen. Tatsächlich fordert Jesus oft dazu auf, „Kommt und seht“. Doch Gott wählte das Hören als primären Weg der Beziehung.

 

In der mittelalterlichen Kirche lag der Fokus jedoch stark auf den visuellen Eindrücken – beeindruckende Kathedralen, Buntglasfenster und Weihrauch betonten andere Sinne, während das Hören in den Hintergrund trat. Predigten auf Latein waren für die meisten unverständlich.

 

Auch heute sprechen Kirchen/Gemeinden oft die Sinne durch eindrucksvolle Architektur und Erlebnisse an. Doch das Reich Gottes, so erinnert uns Jesus, ist weniger ein Ort der spektakulären Darbietungen als vielmehr ein „Hör-Geschäft“.

 

Hören wir wirklich zu?

Das Schma Israel fordert uns nicht nur auf, zuzuhören, sondern auch entsprechend zu handeln. In Matthäus 7 sagt Jesus Christus:

 

Matthäus 7,24-25

24 Ein jeder nun, der diese meine Worte HÖRT und sie TUT, den will ich mit einem klugen Mann vergleichen, der sein Haus auf den Felsen baute. 25 Als nun der Platzregen fiel und die Wasserströme kamen und die Winde stürmten und an dieses Haus stießen, fiel es nicht; denn es war auf den Felsen gegründet.

 

Hören und Handeln sind untrennbar miteinander verbunden.

 

Jakobus betont in seiner Aussage in Jakobus 1,19-27 die Wichtigkeit, nicht nur die Worte Gottes zu hören, sondern sie auch zu tun, also umzusetzen. Er verwendet das Bild eines Spiegels, um zu erklären, dass das Hören des Wortes wie das Betrachten des eigenen natürlichen Gesichts im Spiegel ist. Ein Hörer, der das Wort annimmt und danach handelt, erinnert sich an sein wahres Bild gemäß Gottes vollkommenem Gesetz der Freiheit und bleibt darin. Solche Menschen werden in ihren Taten gesegnet, weil sie nicht nur Hörer, sondern Täter sind. Jakobus verdeutlicht damit, dass echtes Verstehen und geistliches Wachstum durch aktives Handeln und nicht durch passives Hören allein erfolgt.

 

Wahres Hören zeigt sich in unserem täglichen Leben – in der Art, wie wir unsere Mitmenschen behandeln, wie wir mit unseren Ehepartnern und Kindern umgehen, unsere Zeit nutzen und unser Geld verwalten. „Höre, Israel“ bedeutet, dass unser ganzes Sein – unser Herz, unsere Kraft und unser Verstand – auf Gott und seine Liebe ausgerichtet sind.

 

Für Juden bedeutet das Schma, das Joch des Reiches Gottes auf sich zu nehmen und sich Gottes Autorität zu unterstellen: Der HERR ist unser Gott, der HERR ist einer! Er ist der Schöpfer des Universums, unser Schöpfer, der König der Könige. Deshalb beansprucht er die ultimative Autorität über unser Leben – bis in die kleinsten Details. Doch er tut dies als liebender Vater, der unser Wohl im Blick hat und weiß, was gut für uns ist.

 

Gleichzeitig ist er der gerechte Richter, der die Lebenden und die Toten richten wird und uns für jedes unnütze Wort zur Rechenschaft zieht. Deshalb ist es weise und vernünftig, nicht nur zuzuhören, sondern auch zu handeln. Der Hebräerbrief erinnert uns: 

 

Hebräer 4,7

„... Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!

 

Lasst uns also nicht nur Hörer, sondern auch Täter des Wortes Gottes sein. Schma Israel!

 

Das Schma Israel ist eine tägliche Erinnerung daran, dass Gott unser HERR ist und wir ihn mit ganzem Herzen, ganzer Seele und aller Kraft lieben sollen. Es ist ein Aufruf, Gottes Gebote nicht nur zu hören, sondern sie auch zu leben und umzusetzen. Möge uns Gott helfen, dieses Gebet in unseren Alltag zu integrieren und danach zu handeln.


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Gottes Segen Euch allen!

 

1. Thessalonicher 5,23

„Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und vollständig möge euer Geist und Seele und Leib untadelig bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus!“

 

Amen und Amen