Inhalt
Einleitung
Erscheinung des Engels des HERRN im Alten Testament
• Personen und Schriftstellen
Göttliche Eigenschaften des Engels des HERRN
Der Engel des HERRN ist der HERR (JAHWE)
Identifizierung des Engels des HERRN
Zusammenhang des Engels des HERRN mit dem Neuen Testament
Fazit
Dieser Exkurs ist eine schriftliche, themenbezogene Ergänzung zur Beitragsreihe der Angelologie.
In der Bibel kommt einem bestimmten Engel eine besondere Bedeutung zu. Obwohl alle guten Engel in gewisser Weise „Engel Gottes“ oder „Engel des Herrn“ sind, gibt es einen besonderen Engel, der sich von allen anderen Engeln unterscheidet und einzigartig ist; er wird „Engel des HERRN“ (hebr. mal'ak JHWH) genannt.
Der Engel des HERRN erscheint in seiner Persönlichkeit nur im Alten Testament und wird so nie im Neuen Testament erwähnt. Hierzu unten im Fazit mehr.
Der „Engel des HERRN“ wird immer von anderen Engeln unterschieden und in seiner Einzigartigkeit herausgestellt.
Die Bezeichnung „Engel des HERRN“ sollte nicht als Titel verstanden werden. Vielmehr verlangt die hebräische Grammatik, dass man den Ausdruck als Eigenname versteht.
Dieser besondere Engel trägt im Alten Testament verschiedene Bezeichnungen:
1. „der Engel des HERRN“ (mal'ak JHWH; 1Mo 16,7)
2. „der Engel Gottes“ (mal'ak elohim; 1Mo 21,17)
3. „sein Engel“ (mal'akow; 1Mo 24,7.40)
4. „mein Engel“ (mal'aki; 2Mo 23,23)
5. „der Engel seines Angesichts“ / Bote seines Angesichts (mal'ak panaw ; Jes 63,9)
6. „der Engel des Bundes“ (mal'ak habberit; Mal 3,1)
Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Beobachtungen stellt sich die wichtige Frage: Wer ist dieser geheimnisvolle Engel im Alten Testament? Nach seinem Namen gefragt, sagte der „Engel des HERRN“ Simsons Vater, Manoah in Richter 13,18: „Aber der Engel des HERRN sprach zu ihm: Warum fragst du nach meinem Namen? Er ist ja wunderbar!“.
Die meisten Antworten, welche vorgeschlagen werden, wer denn der Engel des HERRN sein soll, sind:
1. ein „Engel“ vom Himmel, möglicherweise der Erzengel Michael
2. der HERR (Jahwe) selbst (eine Theophanie)
3. Jesus selbst (eine Christophanie oder Hyiophanie; Erscheinung des Sohnes von gr. „hyiós“ für „Sohn“) Hierbei handelt es sich um eine Erscheinung des Herrn Jesus Christus auf der Erde vor seiner Menschwerdung.
Um entscheiden zu können, welche dieser Möglichkeiten die richtige Bestimmung ist, muss man zunächst das biblische Beweismaterial zusammenstellen und vergleichen. Danach wird man eine schlüssige Antwort erhalten.
Erscheinung des Engels des HERRN im Alten Testament
Das hebräische Wort für „Engel“ (Bote) „mal'ak“ erscheint etwa 213-mal im Alten Testament. In etwa 90 Fällen bezieht es sich auf „den Engel des HERRN“. Dieser Ausdruck taucht zuerst in 1. Mose 16,7 auf und danach immer wieder bis zum letzten Vorkommen in Maleachi 3,1, wobei er in 16 der 39 alttestamentlichen Bücher erscheint.
Die folgende Auflistung vermittelt repräsentative Beispiele von Begegnungen oder Erwähnungen des „Engels des HERRN“:
• Personen und Schriftstellen
Hagar (1Mo 16,7-14; 21,17)
Abraham (1Mo 22,11-18)
Elieser (1Mo 24,7.40)
Jakob (1Mo 31,11-13; 32,22-32 vgl. 1Mo 48,15-16; Hos 12,4-5)
Mose (2Mo 3,1-7 vgl. Apg 7,30-35; 2Mo 12,23; der Verderber, Hebr 11,28; 2Mo 14,19-20 vgl. 4Mo 20,16; 2Mo 23,20-23 vgl. Jes 63,9)
Bileam (4Mo 22,22-35)
Josua (Jos 5,13-15 vgl. 2Mo 3,5; Ri 2,1-4)
Gideon (Ri 6,11-24)
Manoah und Frau (Ri 13,2-22)
David (2Sam 24,16-17; 1Chr 21,15–18,27)
Elia (1Kön 19,4-8; 2Kön 1,3-4.15-16)
Hiskia (2Kön 19,35 vgl. 2Chr 32,21; Jes 37,36)
Schadrach, Meschach & Abednego (Dan 3,25.28)
Daniel (Dan 6,23)
Sacharja (Sach 1,1-12; 3,1-10)
Maleachi (Mal 3,1)
Göttliche Eigenschaften des Engels des HERRN
Der „Engel des HERRN“ hat Eigenschaften, die nur mit seinem Gottsein in Verbindung gebracht werden können:
1. Der „Engel des HERRN“ beansprucht göttliches Wesen (2Mo 3,2-5; Ri 13,17-23).
2. Der „Engel des HERRN“ zeigt göttliche Eigenschaften (2Mo 23,21; 33,14; Jes 63,9).
3. Die Bibel setzt den „Engel des HERRN“ gleich mit dem HERRN (JAHWE), also mit Gott (1Mo 16,11-13; 22,9-18; 32,25-31 vgl. 1Mo 48,15-16; 2Mo 3,2-6; 13,21-22 (im Vergleich zu 14,19); 32,34; 33,2; 4Mo 22,35 (im Vergleich zu 23,5); Ri 6,11-16; 13,21-23; Hos 12,4-5).
4. Die Bibel unterscheidet in der Person HERR (JAHWE) und „Engel des HERRN“
Zum Beispiel sendet der HERR den Engel des HERRN (2Mo 23,20-23). In anderen Fällen spricht der Engel des HERRN zum HERRN (Sach 1,12) und der HERR antwortet dem Engel des HERRN (Sach 1,13).
5. Der „Engel des HERRN“ ist der hauptsächliche Beschützer Israels (2Mo 14,19-20; 23,20-23; Jos 5,13-15; Ps 34,8; 35,5-6).
6. Der „Engel des HERRN“ besitzt den Namen „des HERRN“ (2Mo 3,14; Ri 13,17-18 vgl. Jes 9,5).
7. Der „Engel des HERRN“ empfängt Anbetung (2Mo 3,5; Jos 5,15; Ri 13,20).
8. Der „Engel des HERRN“ vergibt Sünde (1Mo 48,16; 2Mo 23,21).
Der Engel des HERRN ist der HERR (JAHWE)
Was die hebräische Grammatik zu vermitteln sucht, ist, dass der Engel des HERRN in der Tat Gott selbst ist. Praktisch in jeder Schriftstelle, in der er auftaucht, wird er sowohl Engel des HERRN als auch JHWH selbst genannt.
• In 1. Mose 16,7-14 wird der Engel des HERRN 4-mal erwähnt: in den Versen 7, 9, 10, 11. In Vers 13 aber ist es der HERR selbst, der mit Hagar gesprochen hat, und so nennt sie den Ort „Du bist ein Gott des Schauens“ oder „Du bist ein Gott, der sieht“.
• In 1. Mose 22,9-16 wird 2-mal die Person Engel des HERRN genannt (Verse 11 und 15). In Vers 12, wird er dann als Gott und in Vers 16 als HERR bezeichnet.
• In 1. Mose 32,25-31 wird beschrieben, wie Jakob mit dem Engel des HERRN kämpft. Aber mit wem kämpft er wirklich? In Vers 29 heißt es: „denn du hast mit Gott [...] gerungen“. In Vers 31 erklärt Jakob: „ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen“. Der Engel, mit dem er gerungen hatte, war Gott selbst.
• In 2. Mose 3,1-5 ist es der Engel des HERRN, welcher im Dornenbusch steht. Im Vers 4 aber steht: „da rief Gott ihm mitten aus dem Dornbusch zu und sprach: Mose! Mose!“
• In Richter 2,1 erklärt der Engel des HERRN, dass er sowohl für den Auszug aus Ägypten als auch das Bündnis mit Israel verantwortlich war. Ein Vergleich mit 2. Mose 19,4 zeigt eindeutig, dass Gott selbst für diese beiden Dinge zuständig war, und so wird klar, dass der Engel des HERRN und Gott in gewisser Weise synonyme Bezeichnungen sind.
• In Richter 6,11-24 taucht 4-mal der Engel des HERRN auf (Verse 11, 12, 20, 21), und 4-mal wird er Gott genannt (Verse 14, 16, 22, 23).
• In Richter 13,2-24 ist 9-mal die Rede vom Engel des HERRN: in den Versen 3, 9, 13, 15, 16, 17, 18, 20 und 21. Aber in Vers 22 wird er dann Gott genannt. Der Name des Engels ist laut Vers 18 „Wunderbar“. Das hebräische Wort für „wunderbar“ lautet „pele“ und wird ausschließlich für Gott selbst verwendet, niemals für einen Menschen oder einen Engel. Die Tatsache, dass der Engel diesen Namen für sich beansprucht, beweist, dass er kein gewöhnlicher Engel ist, sondern Gott selbst. Nach dem Buch der Richter verschwindet der Engel des HERRN aus der jüdischen Geschichte. Er erscheint nur noch 2-mal in der Heiligen Schrift, einmal in Jesaja 37,36, wo er die assyrische Armee auslöscht, und das andere Mal in den ersten sechs Kapiteln von Sacharja, wo er derjenige ist, der dem Propheten die Visionen gibt.
Identifizierung des Engels des HERRN
Zwar wird die exakte Identität vom „Engel des HERRN“ in der Bibel nicht genannt, allerdings gibt es, wie wir bereits gesehen haben, viele wichtige und auch eindeutige Anhaltspunkte zu seiner Identität. Der Kontext der Schriftstellen bestimmt immer die Identität des „Engels des HERRN“.
Der „Engel des HERRN“ ist von einigen als besonderer geschaffener Engel verstanden worden, der im biblischen Bericht nicht mit Namen genannt wird. In den Schriften der Apostolischen Väter (ca. 150 n.Chr.) wird manchmal gesagt, der „Engel des HERRN“ sei Michael, der Erzengel. Manche spätere Kommentatoren haben sich dieser Auffassung angeschlossen. Jedoch hat kein geschaffener Engel, nicht einmal ein Erzengel, jemals die Wesenszüge Gottes besessen, wie nach biblischem Befund ersichtlich ist, weshalb diese Ansicht aufgegeben werden muss.
Eine andere Möglichkeit ist, dass der „Engel des HERRN“ eine Selbstoffenbarung des HERRN (JAHWE) selbst ist – das heißt, eine echte Theophanie. Während diese Auffassung den göttlichen Eigenschaften des Engels Rechnung trägt, erklärt sie nicht die Anwesenheit von mindestens zwei Personen in vielen der biblischen Berichte – der „Engel des HERRN“ und „der HERR“ – was in vollkommener Harmonie mit der Dreieinigkeit Gottes steht (Gott der Vater, Eph 1,3-6; Gott der Sohn, Eph 1,7-12; und Gott der Heilige Geist, Eph 1,13-14).
Die einzige Bestimmung des „Engels des HERRN“, die alle biblischen Aussagen berücksichtigt, ist die präinkarnierte Erscheinung (eine Christophanie oder Hyiophanie; Christuserscheinung) der zweiten Person des dreieinigen Gottes, des ewigen Sohnes Gottes, des Herrn Jesus Christus. Es ist daher nicht überraschend, dass die frühesten Untersuchungen zur Identität des „Engels des HERRN“ in dessen Erscheinungen Jesus Christus sahen.
Zusammenhang des Engels des HERRN mit dem Neuen Testament
Die Auffassung, dass es sich beim „Engel des HERRN“ im Alten Testament um den „präinkarnierten Christus“ handelt, passt genau zu den neutestamentlichen Erklärungen über Gottes ewigen Sohn, den Herrn Jesus Christus.
1. Der „Engel des HERRN“ bezeugt, indem er den Namen „der HERR“ annimmt (1Mo 16,11-13; 22,9-18), dass er ein ewiges Wesen ist. Ewiges Sein war genau der Anspruch, den der Herr Jesus Christus erhob (Joh 1,1; 8,58; 17,5).
2. Christus bezeugte, Gott zu sein, und die Bibel sagt, dass er in der Tat Gott ist (Joh 1,1; 5,18; 10,33; 2Petr 1,1; 1Joh 5,20). Diese Feststellung steht in Einklang mit der Gottheit des „Engels des HERRN“ (2Mo 3,2-6; Ri 13,17-23).
3. Indem er beanspruchte, Gott zu sein (2Mo 3,2-6; Ri 13,17-23), aber gleichzeitig eine von „dem HERRN“ unterschiedene Person (2Mo 23,20-23; Jes 6,1.8 i.V.m. Joh 12,41-42; Sach 1,12-13), bekräftigt der „Engel des HERRN“, dass mehr als eine Person Gott ist. Nur Christus, die zweite Person in der dreieinigen Gottheit, konnte eine solche Erklärung machen, die vollkommen der Dreieinigkeit Gottes entspricht (Mt 28,19; Mk 1,9-11; Joh 15,26; 2Kor 13,14).
4. In seiner Menschwerdung im Neuen Testament (ebenso wie in seinen präinkarnierten Erscheinungen im Alten Testament) erfüllte Christus seine Verantwortung, eine Offenbarung und Erklärung Gottes des Vaters zu vermitteln, die sonst jenseits menschlichen Verstehens und Begreifens gewesen wäre (Joh 1,18; 10,30; 12,45; 14,7.9; 2Kor 4,4; Kol 1,15.19; 2,9; Hebr 1,3).
Fazit
So stimmen also die Eigenschaften und Handlungen des alttestamentlichen „Engels des HERRN“ vollkommen mit denen des neutestamentlichen, Mensch gewordenen Christus überein. Im Blick auf Jesus' ewiges Sein, seine Gottheit, Dreieinheit und Verantwortung bestätigen die biblischen Belege auf überwältigende Weise, dass es in den Berichten über den „Engel des HERRN“ im Alten Testament ohne Zweifel um den Herrn Jesus Christus vor seiner Menschwerdung geht.
Im Neuen Testament (nach der Menschwerdung Christi) erscheint der „Engel des HERRN“ in seiner Person nicht mehr, was den Schluss bekräftigt: Er war Christus.
Der „Engel des HERRN“ konnte weder der Vater noch der Heilige Geist sein, weil der Vater und der Geist für Menschen unsichtbar sind und beide die Eigenschaft der Immaterialität besitzen. Es gibt keinen einzigen stichhaltigen Grund zu leugnen, dass der „Engel des HERRN“ die zweite Person der Dreieinigkeit ist, da jede bekannte Tatsache darauf hinweist, dass er mit Christus identisch ist.
Als „Engel des HERRN“ ist Christus von anderen Engeln insofern unterschieden, als er nicht geschaffen wurde.
Die Worte, die in beiden Testamenten mit „Engel“ übersetzt werden, bedeuten „Bote“ oder „Gesandter“. Er ist der Bote Gottes. Sowohl der „Engel des HERRN“ als auch Christus werden vom Vater gesandt. Der Sohn wurde vom Vater als Mensch in die Welt gesandt (42x im Johannesevangelium; „apostello“ & „pempo“: Beide griechischen Begriffe werden im Deutschen gleich übersetzt mit „ausgesandt, gesandt“).
Deshalb ist Christus durch sein Amt ein „Engel“. Gott der Sohn wurde von Gott dem Vater gesandt. Daher bezieht sich das Wort „Engel“ in diesem Zusammenhang auf das Amt des einen, der einen Boten gesandt hat.
Der „Engel des HERRN“ ist somit die Erscheinungsform, in der sich Jesus Christus vor seiner Menschwerdung offenbarte.
Anmerkung:
In wenigen älteren Bibelübersetzungen, z.B. LU1984 (Mt 1,20.24; 2,13; 28,2; Lk 2,9; Apg 5,19; 12,7.23) findet man den Begriff „der Engel des Herrn“ auch im Neuen Testament nach der Geburt Christi. Ist dies nicht ein klarer Beweis, dass dieser Engel nicht als die zweite Person der Dreieinigkeit, Jesus Christus, identifiziert werden kann?
Hier haben die Übersetzer der Lutherbibel willkürlich übersetzt. Es handelt sich nicht um „den“, sondern um „einen“ Engel, weil im griechischen Urtext der bestimmte Artikel (ho, hé, to) nicht verwendet wird. Dies ist wichtig zu beachten! In all den eben erwähnten Bibelstellen findet sich im griechischen Urtext kein bestimmter Artikel (ho, hé, to) außer in Matthäus 1,24. Dieser Engel ist jedoch eindeutig derselbe, der in Vers 20 erscheint, wo er „ein Engel“ (ohne bestimmten griechischen Artikel) genannt wird. Matthäus bezieht sich einfach auf denselben Engel, den er gerade erwähnt hatte.
Die ist ein Beitrag der Serie: Angelologie – Die Lehre der guten, heiligen Engel.
Gottes Segen Euch allen!
1. Thessalonicher 5,23
„Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und vollständig möge euer Geist und Seele und Leib untadelig bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus!“
Amen