Kanonität, Bewahrung & Überlieferung der Bibel

Der griechische Begriff "kanón / κανών" geht auf den hebräischen Begriff "qaneh / קָנֶה" (vgl. Hes 40,3) zurück und bezeichnet ursprünglich ein Holz- oder Bambusrohr, das im Bauhandwerk als Messlatte, Lineal, Richtscheit oder Waagebalken verwendet wurde. Es benannte im Hellenismus auch einen ethischen Maßstab, eine Richtschnur, Regel oder Vorschrift für eine Erkenntnis, ein Urteil oder Verhalten. Im 4. Jahrhundert begann man, mit dem Kanon die Liste der biblischen Bücher zu bezeichnen. Bücher die dem Gläubigen als Maßstab, als Richtschnur für Leben und Glauben dienen sollten.

Kanonität
Wir müssen verstehen, dass die Bibel nicht nur ein einziges Buch, mit nur einem göttlichen Autor, sondern eine kleine Bibliothek, in welcher sich 66 Einzelbücher (Alte Testament 39 und Neue Testament 27) befinden, ist, obwohl sie über einen Zeitraum von 1500-1600 Jahren von fast 40 menschlichen Autoren niedergeschrieben wurde.

Die Bibel beginnt mit dem Schöpfungsbericht in 1. Mose 1, der von Moses etwa 1400 v.Chr. aufgeschrieben wurde, und erstreckt sich bis zur Beschreibung der ewigen Zukunft in Offenbarung 21 durch den Apostel Johannes etwa 96 n.Chr. Während dieser Zeit offenbarte Gott sich und seine Absichten fortschreitend in den inspirierten Schriften.

Doch das wirft eine wichtige Frage auf:
"Woher wissen wir, welche Schriften in den Kanon der Bibel aufgenommen werden und welche davon ausgenommen sein sollten?"

Im Lauf der Jahrhunderte wurden drei weitgehend anerkannte Prinzipien angewendet, um herauszufinden, welche Schriften wirklich das Ergebnis göttlicher Offenbarung und Inspiration sind.

Erstens musste die Schrift von einem anerkannten Propheten oder Apostel geschrieben worden sein (oder von einem Mitarbeiter von ihnen, wie z.B. Markus, Lukas, Jakobus und Judas).

Zweitens durfte das Dokument nicht den bisherigen inspirierten Schriften widersprechen.

Drittens musste ein allgemeiner Konsens, also eine übereinstimmende Meinung ohne verdeckten oder offenen Widerspruch, in der Gemeinde darüber bestehen, dass es sich um ein inspiriertes Buch handelte. Wenn also verschiedene Konzilien (Zusammenkünfte) in der Kirchengeschichte zusammenkamen, um über den Kanon zu konferieren, wurde dort nicht über die Kanonität eines Buches abgestimmt, sondern sie erkannten im Nachhinein an, was Gott bereits geschrieben hatte. Zur Zeit Jesu war das ganze Alte Testament bereits geschrieben und vom Judentum anerkannt worden. Das letzte Buch des AT, Maleachi, wurde etwa 430 v.Chr. fertig gestellt. Der Kanon des Alten Testaments aus Jesu Zeit entspricht nicht nur dem Alten Testament, wie es seit dem in allen Jahrhunderten verwendet wurde, sondern enthält auch nicht die uninspirierten und unechten Apokryphen, diese Gruppe von 14 falschen Schriften, die nach Maleachi geschrieben und etwa 300-200 v.Chr. dem Alten Testament in der griechischen Übersetzung (die so genannte Septuaginta, LXX) zugefügt wurden und noch heute in manchen Bibelausgaben enthalten sind. Keine einzige Stelle aus diesen Apokryphen wird von einem der Schreiber des Neuen Testaments zitiert, noch bestätigte Jesus eine der Apokryphen, als er den Kanon des Alten Testaments seiner Zeit anerkannte (vgl. Lk 24,27.44). Zur Zeit Jesu war der Kanon des Alten Testaments eingeteilt worden in zwei Gruppen von 22 bzw. 24 Büchern, von denen jede dasselbe Material enthielten wie die 39 Bücher unserer heutigen Bibelausgaben. In dem Kanon von 22 Büchern bildeten Jeremia und Klagelieder ein einziges Buch, ebenso wie Richter und Ruth.

Dieselben drei Kriterien für die Kanonität, die beim Alten Testament angewendet wurden, gelten auch für das Neue Testament. Im Fall von Markus und Lukas bzw. seiner Apostelgeschichte werden die Autoren als Schreiber von Petrus bzw. Paulus angesehen. Jakobus und Judas wurden von Jesu Halbbrüdern geschrieben. Der Hebräerbrief ist zwar das einzige Buch im NT, dessen Autor nicht mit Gewissheit bestimmt werden kann, doch sein Inhalt steht so sehr im Einklang mit dem Alten und Neuen Testament, dass die Gemeinde in ihrer Frühzeit schlussfolgerte, er müsse von einem Mitarbeiter der Apostel geschrieben worden sein. Die 27 Bücher des Neuen Testaments sind seit etwa 350-400 n.Chr. allgemein als von Gott inspiriert anerkannt.

Bewahrung
Wie kann man sicher sein, dass das offenbarte und inspirierte geschriebene Wort Gottes, das von der frühen Gemeinde als kanonisch anerkannt wurde, ohne inhaltlichen Verlust bis heute überliefert worden ist? Da es eines der Hauptziele des Teufels ist, die Bibel zu untergraben, stellt sich außerdem die Frage: Hat die Bibel diesen zerstörerischen Angriff überlebt? Am Anfang leugnete der Teufel Gottes Wort gegenüber Eva (vgl. 1Mo 3,4). Später versuchte er, bei seiner Begegnung mit Christus in der Wüste die Schrift zu verzerren (vgl. Mt 4,6.7). Durch König Jojakim versuchte er sogar, das Wort Gottes buchstäblich zu vernichten (vgl. Jer 36,23). Der Krieg gegen die Bibel wütet, aber die Schrift hat ihre Feinde überlebt und wird das auch weiterhin tun. Als Vorsorge gegen die bösen Absichten von Mensch und Teufel gegen die Bibel hat Gott verheißen, sein Wort zu bewahren. Das andauernde Fortbestehen der Bibel wird in Jesaja 40,8 garantiert: "Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; aber das Wort unseres Gottes bleibt in Ewigkeit" (vgl. 1Pt 1,25). Das bedeutet sogar, dass keine inspirierte Schriftstelle in der Vergangenheit verloren gegangen ist und wiederentdeckt werden könnte. Der Inhalt der Bibel wird sowohl im Himmel (vgl. Ps 119,89) als auch auf Erden (vgl. Jes 59,21) fortbestehen. Somit werden die Ratschlüsse Gottes, die in der Heiligen Schrift veröffentlicht sind, niemals vereitelt werden, nicht einmal im kleinsten Detail (vgl. Mt 5,18; Lk 16,17). "Genau so soll auch mein Wort sein, das aus meinem Mund hervorgeht: es wird nicht leer zu mir zurückkehren, sondern es wird ausrichten, was mir gefällt, und durchführen, wozu ich es gesandt habe" (vgl. Jes 55,11).

Überlieferung
Da die Bibel oft in viele verschiedene Sprachen übersetzt und in der ganzen Welt verbreitet wurde, stellt sich die Frage: Wie können wir sicher sein, dass sich keine Fehler – auch keine unbeabsichtigten – eingeschlichen haben? Mit zunehmender Ausbreitung des Christentums wollten sicherlich auch immer mehr Christen die Bibel in ihrer eigenen Sprache besitzen, was Übersetzungen aus dem ursprünglichen Hebräisch und Aramäisch des Alten Testaments und aus dem Griechisch des Neuen Testaments erforderte. Nicht nur diese Übersetzungsarbeit öffnete der Möglichkeit von Fehlern Tür und Tor, sondern auch die Vervielfältigung, die bis zur Erfindung der Druckpresse ca. 1455 n.Chr. durch manuelle Abschrift geschah, war eine ständige mögliche Fehlerquelle. Im Lauf der Jahrhunderte haben die so genannten Textkritiker, die eine präzise Wissenschaft betreiben, eine erstaunliche Menge an biblischen Handschriften sowohl des Alten als auch des Neuen Testaments entdeckt, konserviert, katalogisiert, ausgewertet und veröffentlicht. Es liegen sogar viel mehr Bibelhandschriften vor als Fragmente irgendeines anderen antiken Literaturstücks, wie von Cäsar, Platon oder Aristoteles. Durch Vergleichen von Text mit Text können die Textkritiker vertrauenswürdig bestimmen, welches der ursprüngliche, prophetisch bzw. apostolisch inspirierte Wortlaut ist. Obwohl die existierenden Abschriften des wichtigsten antiken hebräischen Textes (der Masoretische Text) nur auf das 10. Jahrhundert n.Chr. datieren, wird die Zuversicht der Textkritiker, dass sie den originalen Text kennen, durch zwei weitere wichtige Linien von Textzeugen gestützt.

 

Erstens kann der hebräische Text des AT aus dem 10. Jahrhundert verglichen werden mit der Septuaginta oder LXX, der griechischen Übersetzung (sie wurde ca. 300-200 v.Chr. geschrieben; die ältesten vorliegenden Handschriften datieren etwa auf 325 n.Chr.). Es besteht eine erstaunliche Übereinstimmung zwischen diesen beiden Texten, was davon zeugt, wie akkurat der hebräische Text jahrhundertelang abgeschrieben wurde.

 

Zweitens erwies sich die Entdeckung der Qumran-Schriftrollen zwischen 1947-1956 (es handelt sich um Handschriften, die auf ca. 200-100 v.Chr. datiert werden) von enormer Wichtigkeit. Ein Vergleich der älteren hebräischen Texte mit den jüngeren ergibt nur einige wenige leichte Abweichungen, wobei keine dieser Abweichungen den Sinn irgendeiner Schriftstelle änderte. Obwohl das Alte Testament jahrhundertelang übersetzt und vervielfältigt wurde, entspricht die jüngste Version im Wesentlichen den älteren. Die Funde des Neuen Testaments sind sogar noch überzeugender, weil hier noch viel mehr Material zum Studium vorliegt; es gibt über 5.000 griechische Handschriften des Neuen Testaments, darunter ganze Testamente bis hin zu Papyrusschnipsel, die nur einen Teil eines einzigen Verses enthalten. Einige wenige existierende Fragmente datieren auf eine Zeit nur 25-50 Jahre nach der Abfassung der Originalschriften. Die Textkritker des Neuen Testaments sind zu dem allgemeinen Schluss gekommen, dass

 

1.) 99.99% der ursprünglichen Schriften gesichert sind und

2.) es unter den verbleibenden 0,01% keine Abweichungen gibt, die grundlegende christliche Lehre betreffen.

 

Mit dieser Fülle an biblischen Handschriften in dem originalen Sprachen und mit der akribischen Arbeit der Textkritiker, die den Inhalt der Autographen (der Originalschriften) mit nahezu perfekter Genauigkeit bestimmt haben, können alle Fehler, die im Laufe der Jahrhunderte durch die Tausende von Übersetzungen eingeführt bzw. weiterverbreitet wurden, identifiziert und korrigiert werden, indem man die Übersetzung oder Abschrift mit dem rekonstruierten Original vergleicht. Durch dieses vorsorgliche Mittel hat Gott seine Verheißung wahr gemacht, die Bibel zu bewahren. Wir können uns mit zuversichtlicher Gewissheit darauf verlassen, dass es heute Übersetzungen gibt, die wirklich den Titel "Das Wort Gottes" verdienen. Die Geschichte einer vollständigen englischen Bibelübersetzung begann eigentlich mit John Wycliff (ca. 1330-1382), der die erste Übersetzung der ganzen Bibel ins Englische anfertigte. Später, etwa 1525, wurde William Tyndale mit der ersten vollständigen gedruckten Ausgabe des Neuen Testaments in Englisch betraut. Myles Coverdale folgte 1535, als er die erste vollständige gedruckte englische Bibel herausgab. Im Jahre 1611 wurde die "King James Version" (KJV) fertig gestellt. Seitdem wurden Hunderte von Übersetzungen erstellt – manche besser, andere schlechter. Heute gehören zu den besseren englischen Übersetzungen der hebräischen und griechischen Schriften:

 

1.) die New King James Version (NKJV);

2.) die New International Version (NIV) und

3.) die New American Standard Bibel (NASB).


Gottes Segen Euch allen!

 

1. Thessalonicher 5,23

"Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und vollständig möge euer Geist und Seele und Leib untadelig bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus!"

 

Amen