Warum das Kapitel Jesaja 53 nicht von Israel handeln kann


Jesaja 53,4-6

4 Fürwahr, er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen; wir aber hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt. 5 Doch er wurde um unserer Übertretungen willen durchbohrt, wegen unserer Missetaten zerschlagen; die Strafe lag auf ihm, damit wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt worden. 6 Wir alle gingen in die Irre wie Schafe, jeder wandte sich auf seinen Weg; aber der HERR warf unser aller Schuld auf ihn


Das Kapitel Jesaja 53 zählt unbestritten zu den bedeutendsten Abschnitten des Alten Testaments hinsichtlich des Messias. Jesaja 53 ist ebenfalls der zentrale Streitpunkt zwischen Juden, die Jesus/Jeschua als den Messias anerkennen, und solchen, die dies ablehnen. Für Rabbiner gehört dieses Kapitel zu den am meisten beunruhigenden, da es klar prophezeit, dass der Messias von seinem eigenen Volk abgelehnt, leiden und für die Sünden der Menschheit sterben wird. Seit dem Auftreten von Jesus Christus, der abgelehnt wurde, litt und starb, hat dieses Kapitel bei den Rabbinern große Verwirrung gestiftet. Vor etwa 1.000 Jahren wurde schließlich versucht, das gesamte Kapitel neu zu interpretieren und zu behaupten, dass es sich nicht auf den Messias beziehe.

 

Ein Paradox

Wer sich auf die Suche nach dem macht, was das Alte Testament über das Kommen des Messias offenbart, stößt schnell auf ein scheinbares Paradoxon. Es wirkt mitunter wie ein regelrechter Widerspruch, da die jüdischen Propheten ein zweifaches Bild des kommenden Messias gezeichnet haben.

 

Auf der einen Seite findet der Fragesteller zahlreiche Prophezeiungen über den Messias, die ihn als jemanden beschreiben, der Erniedrigung, körperliche Schäden und schließlich einen gewaltsamen Tod erleiden wird. Dieser Tod wurde von den jüdischen Propheten als stellvertretendes Opfer für die Sünden des jüdischen Volkes angekündigt. Andererseits sprechen die jüdischen Propheten auch vom Messias als einem siegreichen König, der die Feinde Israels vernichten und ein messianisches Reich des Friedens und Wohlstands errichten wird.

 

Es gibt also ein zweifaches Bild, das die jüdischen Propheten vom Messias zeichneten. In den vergangenen Jahrhunderten, während der Abfassung des Talmuds, haben die Rabbiner die messianischen Prophezeiungen ernsthaft studiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Propheten von zwei verschiedenen Messiassen sprachen. Der Messias, der kommen, leiden und sterben sollte, wurde als Maschiach ben Joseph oder Messias, der Sohn Josephs, bezeichnet. Der zweite Messias, der nach dem ersten kommen würde, wurde Maschiach ben David oder Messias, der Sohn Davids genannt. Dieser würde den ersten Messias wieder zum Leben erwecken und das messianische Reich des Friedens auf Erden errichten. Dass das Alte Testament diese beiden Linien der messianischen Prophezeiung enthält, erkannten alle frühen Rabbiner. Das Alte Testament sagt nie, dass es zwei Messiasse geben wird. Tatsächlich finden sich viele der paradoxen Beschreibungen Seite an Seite in denselben Passagen, in denen anscheinend nur eine Person gemeint ist. Dennoch schien den frühen Rabbinern die Theorie der zwei Messiasse die beste Antwort zu sein.

 

Jahrhundertelang hielt das orthodoxe Judentum an der Vorstellung von zwei Messiassen fest. Seit der talmudischen Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes wurde jedoch nur der Messias, der Sohn Davids, in den Vorstellungen der jüdischen Herzen und Köpfe hochgespielt. Die andere messianische Figur – der Messias, der Sohn Josephs, der Leidende – wurde ignoriert. In der jüdischen Theologie war er da, wenn er gebraucht wurde, um die im Alten Testament enthaltenen Passagen über den leidenden Messias zu erklären, denn seine Existenz bot eine Ausweichmöglichkeit, wenn heikle Fragen auftauchten. Ansonsten wurde diese messianische Figur weitgehend ignoriert. Heute haben nur wenige Juden vom Messias, dem Sohn Josephs, gehört oder wissen von seiner Existenz in der jüdischen Theologie vergangener Tage. Heute ist der Messias, den die Juden kennen, der Messias, der Sohn Davids.

 

Die Frage heute ist oft: „Von wem sprach Jesaja 53?

 

Die Schriftstellen

Bevor wir uns den spezifischen Details des Jesaja-Textes zuwenden, sollten wir einige einleitende Punkte klären.

 

Es gibt vier signifikante Schriftstellen über den Gottesknecht. Die erste findet sich in Jesaja 42,1-4, in welcher der Dienst des Gottesknechts bei seinem ersten Kommen beschrieben wird.

 

Die zweite Stelle findet sich in Jesaja 49,1-13 und enthält drei Hauptpunkte: Erstens kam der Gottesknecht, wie in Jesaja 42,1-4 beschrieben, und erfüllte seinen Auftrag unter großen Schwierigkeiten, weil er von Israel verworfen wurde (Verse 1-4). Zweitens: Aufgrund seiner Verwerfung wird der Gottesknecht nun ein Licht für die Heiden werden (Verse 5-7). Drittens wird ganz Israel schließlich zur rettenden Erkenntnis dieses Knechtes kommen, und dann wird die endgültige Wiederversammlung und Wiederherstellung Israels stattfinden.

 

Der dritte Abschnitt über den Gottesknecht findet sich in Jesaja 50,4-9 und handelt von den Leiden des Gottesknechts kurz vor seinem Tod.

 

Der vierte und strategischste Abschnitt ist Jesaja 52,13–53,12, weil er zwei Dinge behandelt: Erstens den Grund für die Leiden des Gottesknechts und zweitens den Tod des Gottesknechts.

 

Eine Möglichkeit, den Text zu gliedern, besteht darin, die Verse 13-15 von Kapitel 52 als Gottes Einleitung für den gesamten Abschnitt zu betrachten. Die Verse 1-9 von Kapitel 53 enthalten das Bekenntnis Israels. Es handelt sich um zukünftige Ereignisse, die als bereits eingetreten betrachtet werden. In den Versen 10-12 schließlich wird die Theologie des leidenden Gottesknechts dargelegt.

 

Die Gründe, weshalb das Jesaja-Kapitel 53 nicht von Israel spricht

Das Kapitel Jesaja 53 ist eine der klarsten Prophetie im Tanach (hebr. Bibel) über das erbrachte Opfer von Jesus/Jeschua. Dennoch glauben viele, dass sich diese Prophezeiung auf das Volk Israel bezieht.

 

Nachfolgend einige gewichtige Gründe dafür, warum sich diese Prophetie nicht auf das Volk Israel beziehen kann, sondern vielmehr in der Person des Messias Jesus/Jeschua erfüllt wird:

 

 

1. Einige jüdische Quellen behaupten, „Israel sei der Knecht“ im Buch Jesaja, aber das ist nur teilweise wahr

Diejenigen, die Jesus/Jeschua als den Messias ablehnen, verweisen oft auf eine Stelle wie Jesaja 41,8: „Du aber, Israel, mein Knecht, Jakob, mein Auserwählter, du Same Abrahams, meines Freundes“, um zu zeigen, dass Israel der Knecht im Buch Jesaja ist. Das ist teilweise richtig. Aber hier ist die ganze Wahrheit: Israel ist nur einer der Knechte, die im Buch Jesaja erwähnt werden.

 

Es gibt eindeutig mehrere Knechte in diesem Buch. Zum Beispiel wird Eljakim als Gottes Knecht bezeichnet (Jes 22,20), König David als Gottes Knecht (Jes 37,35), und König Kyrus als Gottes Gesalbter (Jes 45,1). Auch im klassischen Judentum wird der Messias traditionell als Gottes Gesalbter und Knecht angesehen, wie wir gleich sehen werden.

 

Zu beachten ist eine wichtige Tatsache: In Jesaja 49,5 hat dieser ungenannte Knecht eine sehr wichtige Aufgabe. Welche? Er soll Israel zu Gott zurückbringen.

 

Jesaja 49,5

Und nun spricht der HERR, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht gebildet hat, um Jakob zu ihm zurückzubringen — Israel aber wurde nicht gesammelt, und doch wurde ich geehrt in den Augen des HERRN, und mein Gott war meine Stärke

 

Dies ist ein eindeutiger Beweis dafür, dass dieser Knecht in Jesaja 49,5 nicht Israel sein kann. Derselbe Knecht ist auch derjenige, von dem in Jesaja 53 die Rede ist. Sein Auftrag ist dort derselbe. Er soll Israel zu Gott zurückbringen. In Jesaja 49,5 und Jesaja 53 ist vom selben Knecht die Rede.

 

Zu beachten ist auch, warum es sich in Jesaja 49,5 nicht um Israel handeln kann. Das Wort „Mutterleib“ bedeutet im Hebräischen immer den „Schoß bzw. Bauch“ einer Frau. Dieser Knecht hat einen im Mutterleib geformten Körper. Daher ist dieser Knecht absolut nicht Israel als Volk.

 

Darüber hinaus haben jüdische Gelehrte eindeutig festgestellt, dass die Prophezeiungen über den Messias im Buch Jesaja zu finden sind (vgl. Punkt 10).

 

Da Jesaja 53 von einer Einzelperson handelt, ist es nicht bloß eine „christliche Interpretation“, wie oft behauptet wird. Wenn jemand sagt: „Israel sei der Knecht in Jesaja 53“, erhält man nur eine Halbwahrheit. Der Text weist auf das Leiden einer Person hin – nicht eines Volkes.

 

 

2. Die durchgehende Verwendung von Pronomen in diesem Abschnitt zeigt klar, dass der leidende Knecht eine Einzelperson ist, die sich vom jüdischen Volk unterscheidet, von der Jesaja sprach

Der Text selbst liefert eine Reihe von Hinweisen darauf, welche Interpretation tatsächlich gemeint ist. Er selbst macht deutlich, ob er sich auf einen einzelnen Messias oder auf die Gesamtheit Israels bezieht. Ein wichtiger Hinweis darauf, auf wen sich diese Passage bezieht, ist die konsequente Verwendung von Pronomen.

 

Es wird zwischen „mein, wir, uns, sie, ihnen und unser“ gegenüber „er, ihm und sein“ unterschieden. Die Verwendung von „mein, wir, uns, sie, ihnen und unser“ in dieser Passage muss sich auf den Propheten Jesaja und das Volk Israel beziehen, zu dem Jesaja spricht. Die Verwendung von „er, ihm und sein“ muss sich auf den leidenden Gottesknecht beziehen.

 

Im gesamten Text wird der leidende Knecht immer in der Einzahl genannt (er, ihm und sein), während das Volk Israel im Plural (wir, uns und unser) oder einfach als „mein Volk“ bezeichnet wird. Der leidende Knecht kann also nicht Israel sein. In Jesaja 53 heißt es zum Beispiel:

 

Jesaja 53,5

Doch er [der Gottesknecht] wurde um unserer [Jesajas Volk Israel] Übertretungen willen durchbohrt, wegen unserer Missetaten zerschlagen; die Strafe lag auf ihm [der Gottesknecht], damit wir [Jesajas Volk Israel] Frieden hätten, und durch seine [der Gottesknecht] Wunden sind wir [Jesajas Volk Israel] geheilt worden

 

Dies zeigt sich auch im gesamten Kapitel.  Der Gottesknecht ist eindeutig eine Einzelperson und nicht das Volk Israel. Die ständige und durchgängige Verwendung von Pronomen und die Identifizierung der Pronomen schließen aus, dass der leidende Gottesknecht als Nation Israel interpretiert wird. Vielmehr ist der leidende Gottesknecht der Messias selbst!

 

Schauen wir uns Jesaja 52 an:

 

Jesaja 52,14

Gleichwie sich viele über dich entsetzten — so sehr war sein Angesicht entstellt, mehr als das irgendeines Mannes, und seine Gestalt mehr als die der Menschenkinder

 

Wenn Jesaja Israel im Sinn hatte, hätte das „dich“ hier (über dich entsetzten) im Plural stehen müssen. Es ist aber Singular, die zweite Person Singular, männliche Form (ā·le·ḵā).

 

Die Hauptbedeutung, die wir annehmen sollten, sofern keine anderen Faktoren dagegen sprechen, ist, dass das „dich“ sich auf einen Mann bezieht, so wie es im Text steht. Eine wörtliche Lesart des gesamten Satzes unterstützt dies ebenfalls: „mehr als das irgendeines Mannes, und seine Gestalt mehr als die der Menschenkinder“.

 

Der Text stellt sicherlich eine Person, nicht eine leidende Nation dar. Wenn man dann noch bedenkt, dass seit Jesaja 51,17 von Israel in der weiblichen Form gesprochen wird, fällt es schwer zu glauben, dass das „dich“ hier Israel meint. Es ist eine männliche Person, die leidet und so geschlagen wird, dass sie nicht mehr wie ein normaler Mensch aussieht.

 

 

3. In Jesaja 53 ist der Gottesknecht „einmalig gerecht“

Im Buch Jesaja ist Israel das von Gott geliebte Volk; darüber gibt es keine Zweifel. Allerdings wird es nicht als perfektes Volk bezeichnet. So heißt es in Jesaja 1 über das Volk:

 

Jesaja 1,4

Wehe der sündigen Nation, dem schuldbeladenen Volk! Same der Übeltäter, verderbte Kinder! Sie haben den HERRN verlassen, haben den Heiligen Israels gelästert, haben sich abgewandt

 

Im selben Kapitel fährt er fort, Juda als Sodom, Jerusalem als Hure und das Volk als solche zu bezeichnen, deren Hände mit Blut befleckt sind (vgl. Jes 1,10.15.21). Welch ein Unterschied zu dem unschuldigen und schuldlosen Leidenden in Jesaja 53,9, der „keine Gewalttat begangen und keinen Betrug im Munde gehabt“ hat.

 

Außerdem ist der leidende Knecht die gerechteste Person, die in der Heiligen Schrift beschrieben wird. Warum sagen wir das? Er wird nicht nur als Knecht (Gottes) bezeichnet, sondern in Jesaja 53,11 wird er „Tsaddik abdi“ oder „Mein gerechter Knecht“ genannt. Dies ist die einzige Stelle in der gesamten hebräischen Bibel, an der diese Formulierung verwendet wird. Dies wird mit Sicherheit nie für Israel verwendet. Darüber hinaus wurden weder Abraham, Mose, David noch irgendein anderer Prophet oder eine andere Person in der hebräischen Bibel jemals „Tsaddik abdi“ oder „Mein gerechter Knecht“ genannt. Dieser leidende Knecht muss also jemand sein, der größer ist als Abraham, David oder sogar Mose, um mit einem solchen Namen bezeichnet zu werden. Es ist kein Wunder, dass die große Mehrheit der jüdischen Gelehrten im Laufe der Jahrhunderte zu dem Schluss kam, dass dieser gerechte Knecht kein anderer als der Messias Israels war (vgl. Punkt 10).

 

 

4. Jesaja sagt in Vers 10: „Es hat dem HERRN gefallen, ihn zu zerschlagen“

War die schreckliche Behandlung des jüdischen Volkes (die übrigens im Widerspruch zu den Lehren Jesu steht, alle Menschen zu lieben) wirklich Gottes Wohlgefallen, wie es in Jesaja 53,10 über das Leiden des Knechtes gesagt wird?

 

Wenn sich Jesaja 53, wie einige Rabbiner behaupten, auf den Holocaust bezieht, können wir dann wirklich von Israels Leiden während dieser schrecklichen Zeit sagen: „Es hat dem HERRN gefallen, ihn zu zerschlagen?“ Hat Gott Gefallen am Holocaust gefunden? Es ist jedoch durchaus sinnvoll zu sagen, dass es Gott gefiel, den Messias leiden und als unser Sündopfer sterben zu lassen, um uns Vergebung und Sühne zu ermöglichen.

 

 

5. Die in Jesaja 53 beschriebene Figur soll für die Sünden seines Volkes büßen

Nicht einmal gerechte Menschen wie Noah, Daniel und Hiob hätten dies gemäß Hesekiel 14,12-20 tun können!

 

Das hebräische Wort, das in Jesaja 53,10 für „Schuldopfer“ verwendet wird, ist „ascham“, ein Begriff der „Schuld“ bedeutet und für ein Opfer für eine Sünde oder Schuldübertretung verwendet wird.

 

Genau dasselbe hebräische Wort wird 27-Mal in 3. Mose verwendet, dem wichtigsten Buch der Tora über Sünd- und Schuldopfer. Wie kann Israel also ein Sündopfer für sich selbst sein?

 

Das Schuldopfer (ascham) wurde immer im Namen oder anstelle desjenigen dargebracht, der die Übertretung oder Sünde begangen hatte. Jesaja 53 beschreibt ein sündloses und vollkommenes Opferlamm, das die Sünden der anderen auf sich nimmt, damit ihnen vergeben werden kann. Kann wirklich jemand behaupten, dass das schreckliche Leiden des jüdischen Volkes, wie unverdient und ungerecht es auch sein mag, die Sünden der Welt sühnt? Von wem auch immer in Jesaja 53 die Rede ist, die beschriebene Gestalt leidet und stirbt, um eine zulässige Bezahlung für die Sünden zu leisten, damit anderen vergeben werden kann. Dies kann nicht für das jüdische Volk als Ganzes oder für irgendeinen anderen normalen Menschen gelten.

 

 

6. Das Schuldopfer (ascham) musste immer sterben. Auch der leidende Knecht ist eindeutig gestorben

Vergleichen wir Jesaja 53,8-10.12

8 Infolge von Drangsal und Gericht wurde er weggenommen; wer will aber sein Geschlecht beschreiben? Denn er wurde aus dem Land der Lebendigen weggerissen; wegen der Übertretung meines Volkes hat ihn Strafe getroffen. 9 Und man bestimmte sein Grab bei Gottlosen, aber bei einem Reichen [war er] in seinem Tod, weil er kein Unrecht getan hatte und kein Betrug in seinem Mund gewesen war. 12 Darum will ich ihm die Vielen zum Anteil geben, und er wird Starke zum Raub erhalten, dafür, dass er seine Seele dem Tod preisgegeben hat und sich unter die Übeltäter zählen ließ und die Sünde vieler getragen und für die Übeltäter gebetet hat

 

Gemäß Vers 8 sollte der Knecht des HERRN stellvertretend für das Volk Israel sterben. Wie kann er mit dem Volk identisch sein, wenn er hier doch deutlich von ihm unterschieden wird?

 

Israel als Volk ist jedoch nie gestorben. Wann befand sich das Volk Israel, oder ein Teil davon, im Grab eines Reichen, anstatt in einem Grab bei Gesetzlosen (Jes 53,9)?

 

Tatsächlich ist es für Israel unmöglich, jemals zu sterben, denn Gott hat Israel versprochen, dass es ewig leben wird (vgl. Jer 31,35-37).

 

 

7. Dem jüdischen Volk (Israel) wurde versprochen, dass es, wenn es Gott gehorcht, sehr gesegnet sein wird und nicht leiden muss

Das ist die ganze Grundlage der Tora. Nur wenn Israel ungehorsam war, würde es leiden oder verflucht werden. Dies ist ein besonderes Versprechen der Tora.

 

5. Mose 28,2

Und alle diese Segnungen werden über dich kommen und dich erreichen, wenn du der Stimme des HERRN, deines Gottes, gehorchst

 

und dann Vers 15

Es wird aber geschehen, wenn du der Stimme des HERRN, deines Gottes, nicht gehorchst, sodass du alle seine Gebote und Satzungen nicht bewahrst und tust, die ich dir heute gebiete, so werden all diese Flüche über dich kommen und dich treffen

 

Wenn Israel der gerechte Knecht aus Jesaja 53 wäre, könnte es unmöglich unter den beschriebenen Bedingungen und auf die dort dargestellte Weise leiden und sterben. Das widerspricht den Zusagen Gottes, die er Israel für den Fall ihrer Gerechtigkeit gegeben hat. Daher kann sich dieser Abschnitt nicht auf Israel als den gerechten leidenden Knecht beziehen, da dies den Verheißungen Gottes eindeutig widersprechen würde.

 

 

8. In Jesaja 53,1 wird der leidende Knecht als „der Arm des HERRN“ bezeichnet

Im Tanach (hebr. Bibel) gibt es 37 Hinweise auf „den Arm des HERRN“. Niemals bezieht sich diese Formulierung auf Israel. Der Arm des HERRN handelt im Namen Israels, aber er ist niemals Israel. Unter anderem erlöst und befreit der Arm des HERRN Israel, wenn Israel nicht in der Lage ist, sich selbst zu befreien (vgl. 2Mo 6,6; 15,16, 5Mo 4,34; 5,15; 9,29; 26,8; 2Kön 17,36; Ps 44,3; Hes 20,33-34). Es ist klar, dass der leidende Knecht, der Arm des HERRN, nicht Israel sein kann.

               

 

9. Es wird behauptet, dass die nicht-jüdischen Völker in Jesaja 53 über das Leiden Israels sprechen

Auch dies ist bei näherer Betrachtung aus mehreren Gründen nicht möglich. 

 

1. Der Text in Jesaja 52,15 sagt ausdrücklich, dass die Gojim (nicht-jüdischen) Könige ihren Mund wegen dieses Knechtes verschließen werden. Es wäre dann nicht logisch, sie nach dieser Aussage eine der längsten Knecht-Passagen in Jesaja sprechen zu lassen.

 

2. Wenn die Könige sprechen, dann wussten sie bereits von Israels Leiden. Doch in Jesaja 52 heißt es:

 

Jesaja 52,15

genauso wird er viele Heidenvölker in Erstaunen setzen, und Könige werden vor ihm den Mund schließen. Denn was ihnen nie erzählt worden war, das werden sie sehen, und was sie nie gehört hatten, werden sie wahrnehmen

 

Zu sagen, dass die nicht-jüdischen Könige in Kapitel 53 über Israels Leiden sprechen, und dann zu behaupten, dass sie ein paar Verse vorher (in Vers 15) nichts von Israels Leiden gewusst haben, ergibt keinen Sinn, da sie diejenigen sind, die Israels Leiden verursacht haben, um damit zu beginnen. Mit anderen Worten: Wenn sie das Leiden verursacht haben, wie kann man dann in Jesaja 52,15 sagen, sie hätten nicht gewusst, dass Israel leidet?

 

3. Das Tetragrammaton (יהוה, ins Deutsche mit Großbuchstaben übersetzt - HERR/JHWH) wird in Jesaja 53 4-Mal verwendet. Es ist undenkbar, dass eine Gruppe heidnischer, götzendienerischer Könige Gottes Bundesnamen (der Israel mitgeteilt wurde) in einer solchen Passage verwenden würde. Wenn sie gesprochen hätten, hätten sie stattdessen sicherlich jedes Mal das hebräische „Elohim“ verwendet. Elohim, das in dem gesamten Kapitel nur 1-Mal verwendet wird, ist ein allgemeineres Wort für Gott. Das Tetragrammaton יהוה wird in der hebräischen Bibel fast immer von jüdischen Sprechern verwendet, selten von Nichtjuden. In diesem Kapitel wird es mehrmals verwendet. Das würde durchaus Sinn machen, wenn Jesaja, der den Namen sehr gut kannte, derjenige wäre, der in Kapitel 53 spricht.

 

 

10. Alte jüdische Gelehrte betrachteten Jesaja 53 als einen Text über den Messias

Es stimmt zwar, dass Raschi (Rabbi Schlomo Itzchaki, 1040–1105) und einige der späteren Rabbiner die Stelle so auslegten, dass sie sich auf Israel bezog, aber sie wussten sicherlich, dass ältere schriftliche jüdische Auslegungen den Messias meinten.

 

Zu bedenken ist, dass Raschi zu einer Zeit lebte, als eine entartete mittelalterliche Verzerrung des Christentums praktiziert wurde. Raschi und andere entwickelten deshalb diese Antwort im Mittelalter, als jüdische Menschen oft verfolgt wurden, weil sie nicht an Jesus glaubten. Diese Verfolgung hat die Geschichte auf schädliche Weise beeinflusst und verfälscht, wie Gott wollte, dass die Wahrheit in das Leben Eingang findet.

 

Mosche Kohen, ein spanischer Rabbiner aus dem 15. Jahrhundert, erklärt den Abschnitt: „Ich freue mich, ihn in Übereinstimmung mit der Lehre unserer Rabbiner auf den König Messias auszulegen.“ (Zitat aus: Driver, S.R. und Neubauer, A. The Fifty-Third Chapter of Isaiah According to the Jewish Interpreters, Ktav Publishing House, New York, 1969)

 

Die aramäische Übersetzung dieses Kapitels, die Rabbi Jonathan ben Uzziel zugeschrieben wird, einem Schüler Hillels, der zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. lebte, weist darauf hin, dass es um einen individuellen Messias geht – allerdings nicht um Jesus. Es beginnt wie folgt:

 

Siehe, mein Knecht, der Messias, wird gedeihen; er wird hoch sein und zunehmen und sehr stark sein, [Anm.: er zitiert Jesaja 53] wie das Haus Israel viele Tage lang auf ihn schaute, weil ihr Antlitz unter den Völkern verfinstert war und ihre Hautfarbe über die der Menschenkinder hinaus.“ (Targum Jonathan zu Jesaja 53, ad Iocum)

 

Die gleiche Auslegung finden wir im Babylonischen Talmud: „Der Messias – wie heißt er?... Die Rabbiner sagen: der Aussätzige; die aus dem Hause des Rabbi sagen: der Kranke, wie es heißt: 'Er hat unsere Krankheiten getragen.'“ (Sanhedrin 98b) [Anm.: ein Zitat aus Jesaja 53]

 

In gleicher Weise heißt es auch in einem späteren Midrasch, dem Midrasch Tanhuma, Parascha Toldot, Ende des Abschnitts: „Wer bist du, du großer Berg?“ (Sach 4,7) Dies bezieht sich auf den König Messias. Und warum nennt er ihn den „großen Berg“? Weil er größer ist als die Patriarchen, wie es heißt: „Mein Knecht wird hoch und erhaben sein und sich über alle Maßen erheben.“ (Jes 52,13) Er wird höher sein als Abraham, der sagte: „Ich erhebe meine Hand zum HERRN“ (1Mo 14,22), höher als Mose, zu dem es heißt: „Erhebe ihn in deinen Schoß“ (4Mo 11,12), höher als die dienenden Engel, von denen geschrieben steht: „Ihre Räder waren hoch und schrecklich“ (Hes 1,18). Und aus wem geht er hervor? Aus David.“

 

Auch Maimonides bezieht Jesaja 53 in einem Brief auf einen Messias. Rabbi Schimon bar Jochai schrieb: „Und der Messias von Ephraim ist dort gestorben, und Israel trauert um ihn, wie es geschrieben steht: 'Er ist verachtet und von den Menschen verworfen', und er zieht sich zurück in die Verborgenheit, denn es heißt: 'und wir verbargen gleichsam unser Angesicht vor ihm'.“ (Zitat aus Jes 53)

 

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Gottes Segen Euch allen!

 

1. Thessalonicher 5,23

„Er selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und vollständig möge euer Geist und Seele und Leib untadelig bewahrt werden bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus!“

 

Amen